Vom Rathaus zur Jugendherberge

Stadt und Verbandsgemeinde (VG) wollen ihre Eigentumsanteile am Montabaurer Rathaus an das Jugendherbergswerk verkaufen. Dessen Landesverband Rheinland-Pfalz / Saarland will das Gebäude zu einer City-Jugendherberge mit 390 Betten umbauen, der größten im Land. Die Pläne dazu legten die Vertreter des Jugendherbergswerks zusammen mit dem Projektpartner Fries Architekten den städtischen Gremien vor: Einstimmig empfahl der Haupt- und Finanzausschuss dem Stadtrat, die städtischen Gebäudeanteile für null Euro zu verkaufen und außerdem einen Investitionszuschuss in Höhe von 1 Mio. Euro für den Bau der Jugendherberge zu zahlen. Insgesamt beläuft sich die städtische Förderung also auf gut 1,6 Mio. Euro. Denselben Betrag bringt die VG ein, indem sie auf den Kaufpreis verzichtet. Der Stadtrat soll Ende Mai final über den städtischen Anteil entscheiden; die Gremien der VG tagen erst im Juni. Das historische Rathaus der Stadt ist nicht Teil des Projekts.

Die geplante City-Jugendherberge

Zum Gebäudeensemble „Rathaus“ gehören die oberen Etagen des Gebäudes Konrad-Adenauer-Platz 8 sowie damit verbunden die oberen Etagen von Haus Nr. 9 (Haus Hager), wo heute die VG-Werke, die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv untergebracht sind. Diese Anteile will das Jugendherbergswerk für Rheinland-Pfalz und das Saarland (JH) erwerben und dort eine City-Jugendherberge errichten, verteilt auf drei barrierefrei erreichbaren Wohnetagen in den Obergeschossen. So soll die größte Jugendherberge in Rheinland-Pfalz entstehen – mit 390 Betten in 87 Zimmern. Das JH rechnet mit 80.000 Übernachtungen pro Jahr. Das Angebot richtet sich an Schulklassen, Familien und Gruppen (z.B. von Vereinen), die zusammen mehr als 95% der typischen JH-Gäste ausmachen. Für diese Zielgruppen werden Gruppen- und Spielräume in das Gebäude integriert, ebenso wird es ein Restaurant und eine Bar für die Gäste geben. Im Erdgeschoss sind Ladengeschäfte untergebracht, die allesamt in privatem Eigentum stehen und erhalten bleiben. Deshalb wird dort nur der Eingang angesiedelt und im ersten Obergeschoss Rezeption, Lobby, Restaurant und die Küche. Das hohe Dachgeschoss mit dem heutigen Sitzungssaal wird in zwei Wohngeschosse umgebaut in umweltfreundlicher und energieeffizienter Holzbauweise. Die Gebäudehülle soll im KfW 40 EEStandard gebaut werden – das trägt durch den Einsatz von Wärmepumpen, Wärmerückgewinnungssystemen und Photovoltaik-Anlagen zu niedrigeren Betriebskosten bei. Das alte Rathaus-Gebäude wird komplett entkernt; nur das Beton-Skelett bleibt stehen. So kann vorhandene Bausubstanz wiederverwendet und Ressourcen geschont werden. Die Entwürfe stammen vom Büro Fries Architekten, das vom JH mit der Umsetzung des Projektes beauftragt wurde.


Visualisierung Jugendherberge
So könnte die neue City-Jugendherberge in Montabaur aussehen. 

 

Kosten und Finanzierung
Die Kosten für die umfassende Sanierung des Gebäudes, die Aufstockung und die Einrichtung einer Jugendherberge beziffern die Projektpartner mit 22,6 Mio. Euro. Eine Unterstützung seitens der KfW in Höhe von 2,9 Millionen Euro ist in Aussicht gestellt. Weitere 3,2 Mio. Euro wollen Stadt und VG einbringen (Details siehe nächster Absatz), so dass der Eigenanteil der JH bei 16,5 Mio. Euro liegt. Das Jugendherbergswerk ist gemeinnützig; die Voraussetzungen für eine kommunale Förderung liegen vor. Ohne den kommunalen Zuschuss kann das Projekt nicht finanziert werden.

 

Viele Entscheidungen stehen an
Da Stadt und VG jeweils eigene Anteile an dem Gebäudekomplex haben, müssen die Gremien beider Ebenen jeweils einzeln entscheiden. Der Anteil der Stadt ist rund 640.000 Euro wert; die Stadt würde zusätzlich eine Förderung von 1 Mio. Euro zahlen, so dass sie unter dem Strich rund 1,6 Mio. Euro zuschießen will. Der Gebäudeanteil der VG wird mit 1,6 Mio. Euro veranschlagt; die VG würde auf den Kaufpreis verzichten. Der Stadtrat soll am 27. Mai final entscheiden, die Gremien der VG tagen am 12. Juni (Ausschüsse) und am 26. Juni (VG-Rat). Anschließend arbeitet die Verwaltung in Zusammenarbeit mit Fries Architekten den Kaufvertrag aus. Dem müssen dann noch die Miteigentümer der übrigen Gebäudeteile einzeln zustimmen, insgesamt acht weitere Parteien, auch wenn sie ihr Eigentum behalten. In Vorgesprächen haben sie sich bereits positiv über das Vorhaben geäußert. Sobald ihre Unterschriften vorliegen, können Stadt und VG den Kaufvertrag unterzeichnen.


Eine Jugendherberge für Montabaur – Vor- und Nachteile
Eine Jugendherberge in zentraler Lage von Montabaur würde einen deutlichen Schub für die Stadtentwicklung bedeuten. Es würde ein modernes Gebäude entstehen, das sich in die Bebauung am Konrad-Adenauer-Platz einpasst und durch seine Gäste viel Frequenz für die Innenstadt bringt. Davon können Einzelhandel und Gastronomie profitieren und neue Angebote entstehen. Die Besucher können vorhandene Einrichtungen wie das Schwimmbad, die Freizeitanlage Quendelberg, das Kino und andere Kulturangebote nutzen und Ausflüge in die Umgebung machen. All das fördert den Tourismus und damit die regionale Wirtschaft. Auch die überregionale Bekanntheit Montabaurs wird gestärkt und bringt weitere Frequenz; laut Marktanalysen auch für die anderen Hotelbetriebe in der Stadt und der Region. Außerdem werden direkt in der Jugendherberge rund 40 neue Arbeitsplätze entstehen. In der Sitzung des städtischen Ausschusses waren einige Bürger anwesend, um ihre Fragen und Bedenken vorzutragen. Sie befürchten, dass die City-Jugendherberge mit 390 Betten zu groß ist für Montabaur und dass die Besucher nicht genügend Angebote finden, um ihre Freizeit zu gestalten. Auch Fragen nach der Anreise der Gäste, Parken, Anlieferung und zum Stadtbild wurden gestellt. Die Bürger befürchten eine Überlastung der typisch kleinstädtischen Infrastruktur in Montabaur.

 

Leerstand wäre ein Problem
Im Sommer 2016 hat die VG entschieden, ein neues Verwaltungsgebäude am Gerberhof zu bauen und damit den Standort am Konrad-Adenauer-Platz aufzugeben. Seither gab es vielfältige Versuche, das bisherige VG-Rathaus zu verkaufen und in eine sinnvolle, dem Standort angemessene Nachnutzung zu bringen. Etliche Interessenten haben sich das Gebäude und das Umfeld angesehen, aber schließlich doch abgesagt – aus unterschiedlichen Gründen. 2021 haben Fries Architekten erstmals Interesse an dem Gebäude bekundet, zunächst mit der Idee, es in ein Hotel umzubauen. Auch das hat sich zerschlagen. Derzeit ist der Verkauf an JH die einzige Option, die Stadt und VG haben. Was die Zukunft bringen könnte, ist ungewiss. Ein längerer Leerstand wäre allerdings ein Problem, denn ein großes leerstehendes Gebäude an zentraler Stelle in der City prägt sein Umfeld, erweckt den Eindruck einer toten Innenstadt. Je länger das Haus nicht genutzt wird, umso schwieriger wird die Vermarktung. Hinzu kommt, dass auch ein leerstehendes Gebäude unterhalten werden muss; die Kosten dafür liegen bei 90.000 Euro im Jahr. Aus eigenem Interesse aber vor allem im Sinne der Montabaurer Innenstadt wollen Stadt und VG eine gute Nachnutzung für das Gebäude entwickeln.